Identität ist etwas Fluides. Manchmal macht mir das ein bisschen Angst, weil ich dann nicht mehr weiß, ob ich überhaupt irgendwie wissen kann, wer ich bin.
Ich denke, ich hatte ein bisschen Angst, dass das Draglab diese Annahme noch mehr bestätigt. Ich habe also schon einen inneren Monolog zum Thema Identität mit mir geführt, als ich drüber nachgedacht habe, einen Termin im Draglab zu machen. Wir haben ja unterschiedliche Aspekte in uns und zeigen immer nur einen bestimmten Teil von uns.
Wenn wir einmal ein bestimmtes Alter erreicht haben und uns darüber bewusst werden, dass andere über uns urteilen, dann beginnen wir, uns danach zu richten. Und vielleicht behalten wir dabei einen Teil unserer Persönlichkeit einfach für uns, verbergen etwas, was wir nur ganz bestimmten Menschen oder vielleicht auch niemandem zeigen. Aber solche Anpassungen verändern uns ja auch. Vielleicht können manche Menschen sich selbst nicht annehmen oder sie entwickeln sich einfach von dem weg, was sie wären, wenn sie sich nicht Erwartungen anderer unterwerfen würden.
Ich persönlich bin ohnehin eher introvertiert. Aber irgendwann habe ich gemerkt, dass, wenn wir uns nicht dafür einsetzen, dass jede*r sich zeigen kann, seine Vorlieben ausleben und Interessen verfolgen und sich damit auch nicht verstecken muss, dann büßen wir nicht nur alle als Einzelne, sondern als Gesellschaft unsere Freiheit ein. Besonders gefallen hat mir zu diesem Thema auch das Buch „Gegen den Hass“ von Carolin Emcke, ich habe sie auch in Basel aus dem Buch lesen sehen und sie hat dort auch mit Thomas Strässle ein Gespräch darüber geführt. In ihrer Rede beim Friedenspreis des Deutschen Buchhandels sagte sie: „Freiheit ist nichts, das man besitzt, sondern etwas, das man tut“ und diese Haltung strahlt auch das Draglab aus, finde ich.
Es fällt auch dieser Satz aus Frischs Gantenbein „Ich probiere Geschichten an wie Kleider“, der hier auch wirklich gut passt. Jede andere Kleidung erzählt eine andere Geschichte und wir probieren aus, wie sie mit dem, was wir für unsere Identität halten, interagiert. Frisch ging in einem der Interviews ausführlich darauf ein, dass die Geschichte, die wir von uns erzählen, eben auch nur eine Art von Fiktion ist. Und ich denke, das kann uns das Drag Lab bewusst machen und dann kann vielleicht ein Teil der Transformation wieder mit zurück in den Alltag genommen werden durch dieses Bewusstsein.
So ein professionelles Make-Up getragen habe ich zuvor noch nie. Privat schminke ich mich nicht.
Frida ist schon länger ein Teil von mir. Vielleicht hat das auch gar nicht so viel mit der historischen Frida zu tun, sondern mehr mit einer Geschichte, die sie für mich persönlich verkörpert, die eben auch meine Geschichte ist. Irgendwann ist dieses Bild von ihr verschmolzen mit mir. Es gibt sogar eine Person, die mich so nennt. Es ist eigentlich also überhaupt keine „Ver“kleidung für mich, kein mich „ver“stellen, nur habe ich das auf dieser visuellen Ebene noch nie ausprobiert. Deswegen hätte ich es nicht für möglich gehalten, dass ich so sehr wie Frida aussehen kann.
Ich habe mich dann auch einfach gut gefühlt. Es ist eine Freiheit, zu bestimmen, wer man ist, und das Äußerliche ist nur eine Metapher für das Innerliche. Ich persönlich habe oft das Gefühl, dass, wie ich aussehe eigentlich wenig von dem, was ich bin, ausdrückt. Aber vielleicht muss das auch nicht sein.
Was passiert in dem Moment, in dem das, was ich im Spiegel sehe, nicht zu dem, wie ich mich selbst empfinde, passt? Wie ist das, sich nicht mit dem identifizieren zu können, was man da sieht? Oder kann man sich dann plötzlich doch identifizieren? Das ist auf jeden Fall eine spannende Frage. Und das kann eine Erfahrung sein, die uns hilft, empathischer zu werden für etwas, was wir sonst als weit von uns entfernt empfinden.
Es ist auch einfach ein Raum für Fantasie, der hier eröffnet wird, sich einmal neu zu erfinden und ich finde es auch für meine eigenen Arbeiten spannend, so neue inhaltliche und visuelle Spielräume zu erschließen.

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