„Wer bin ich und – wenn ja, wie viele?“ – So der Titel des berühmten Romans des Philosophen Richard David Precht.
Diese Frage, für die einen sinnlos, für die anderen schnell beantwortet, für einige jedoch eine schier nicht enden wollende Lebensaufgabe, lässt doch erkennen, dass wir Menschen so unsere Probleme mit unserem „Ich“ haben. Die meisten bleiben bei der Kopfarbeit stecken, kaum kommt ein neues Hobby, ein neuer Job oder ein neuer Partner, schon wird das Ich umgeformt und angepasst. Das funktioniert übrigens auch umgekehrt. Nach einem Hobby, Job oder Partner kommt die Ich-Umformung – Menschen sind sehr kreativ und flexibel, wenn es darum geht, sich eine neue Hülle zuzulegen. Solche „Ich-Hüllen“ sind wichtig und gut, helfen sie doch, uns selbst näher und näher zu kommen und alle Facetten auszuleben. Da Kopfarbeit jedoch meistens langwierig, schwer und am Ende Kopfschmerzen bereitet – und meistens eh ein idealisiertes Selbst erzeugt – heißt es besser: ausprobieren.
Das Draglab in den Lichthöfen der HfG Karlsruhe ist eine Fundstätte für Ich-Veränderungen, das einlädt, über seinem verrosteten, alten Selbstbild hinweg zu gehen und sich selbst in all seinen Möglichkeiten kennen zu lernen. Kleidung, Haare, Make-Up und Kreativität, es scheint nicht viel zu brauchen, um dieses neue Ich zu erzeugen und doch bedeutet jene noch so kleine Umwandelung einen Schlag gegen die Ich-Mauer, die lange bröckelt, bis sie fällt, da das zärtliche, kleine Selbst im Inneren nicht seine Sicherheit verlieren will. Ist die erste Verwirrung jedoch überwunden, das ungewohnte Bild im Spiegel begutachtet und anerkannt, geschieht das Wunder: Der Mensch nimmt an.
Die Dragqueen in einem lebt auf und liebkost das neue Ich und kostet all seine Facetten aus. Diese Momente sind wenige, und doch hat man ein Gespür, ein Gefühl dafür bekommen, wie es ist, jemand anderes zu sein … oder doch, der, der man im tiefen Inneren schon immer war und gewesen ist?

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